Jesus hätte warmgepumpt

Was ist sexier: sich halbnackt an ein Kreuz nageln zu lassen oder sich in orangefarbenen Warnwesten gekleidet auf eine Straßenkreuzung zu kleben? Ich denke, die Antwort dürfte eindeutig sein. Seit mehr als zweitausend Jahren geistert nun schon der blutige Leidensweg des Jesus von Nazareth durch die Kultur- und Religionsgeschichte und das extremste, was seinen geistigen Erben, den Klimajüngern, heute einfällt, sind Pattex, Tomatensuppe und Verkehrsstaus. Wer die Menschheit erretten bzw. deren Gehirne entsprechend ideologisch waschen möchte, braucht aber mehr Lametta, Blut und Gore, sprich: kräftigere Narrative. Von einer Religion, deren Logo immerhin ein römisches Folterinstrument darstellt, sollte man in der Beziehung eigentlich mehr erwarten können. Der letzte unterhaltsame Impuls kam hierzulande wohl noch von Klaus Kinski. Seitdem hören wir aus der Richtung nur noch bieder-solidarische Haltungsgesänge: Jesus hätte sich impfen lassen, Jesus hätte Panzer geliefert, Jesus hätte die Grünen gewählt. Das Christentum als Nutte der Politik, das hat immerhin Tradition.

Meine Opfer sind bei den Gedanken

Was der AfD die Messermorde, sind den Klimahüpfern die Flutkatastrophen (wahlweise auch 30 Grad im Schatten, irgendwas mit Wetter jedenfalls). Es wird wie auf Bestellung Schuld verteilt und Wahlkampf gemacht. Oder eben abgewiegelt und zur Mäßigung aufgerufen. Wie es gerade passt. Denn wenn der Feind bekannt ist, hat der Tag Struktur (offizielles Dalai-Lama-Zitat). Textbausteine und Trauerkerzen gibt es in jedem Fall gratis oben drauf. In diesem Theater bleibt kein Auge trocken und kein hohle Phrase ungenutzt: Merkel hat mitgemessert, Weidel hat mitgeschossen und Laschet hat mitgeregnet. Im Sozialismus wäre das alles übrigens nicht passiert. Schauen Sie doch nach Kuba. Die Leute haben vielleicht nichts zu futtern, aber wenigstens stimmt die CO2-Bilanz. Die wissen einfach nicht, wie gut sie es haben. Buena Vista Tunnelblick. 

Spurlos

Ich beobachte, wie sie bedächtig jede Frucht und jede Knolle einzeln auf das Laufband legt. Solche Leute sehe ich beim Einkaufen jetzt immer öfter: radikale Verpackungsvermeider. Kein Plastik, keine Folie, kein Papier. Und nach der Bezahlung stopfen sie dann auch alles einzeln und unverpackt in ihre verfilzten Rucksäcke. Man kennt das aus den Bioläden, jetzt ist es auch bei den großen Discountern üblich. Sie haben die Leute also nicht umsonst mit ihren grünen Wohlfühl-Kampagnen zugedröhnt. REWE ist nachhaltig, EDEKA ist Bio, LIDL spendet für Pandabären und Nena rettet den Planeten mit Möhrchen von PENNY. Jetzt fühlen sie sich also auch hier zuhause. Und sie wollen sich nicht daran mitschuldig machen, wenn irgendwo ein Delfinbaby an einer deutschen Gemüseverpackung erstickt. Also rollt auch die Dame vor mir ein Tomätchen, drei Radieschen, ein Petersilien-Strunk und noch ein paar dreckige Kartoffeln über das Band, und ich stelle mir vor (irgendwie muss ich die Wartezeit ja überbrücken), wie sie vorhin vielleicht noch kräftig in der Nase gebohrt hat und hier gerade mehr Krankheiten verteilt als die berühmte Kloschüssel aus Trainspotting (The Worst Toilet in Scotland, remember?) … In Zeiten der allgemeinen Virenpanik ein unterhaltsamer Gedanke. Ist die Ausrottung der menschlichen Rasse schlussendlich nicht auch der konsequenteste Umweltschutz? Später wird die Kassiererin ihr Warenband großflächig mit Chemikalien säubern und die Reste in einer Plastiktüte entsorgen. Aber da ist die Gemüseschubserin längst über alle Berge, überzeugt, alles richtig gemacht zu haben. Unterwegs wird sie sich vielleicht noch mit einem Coffee-To-Go stärken, natürlich nur aus fairen, per Esel herangekarrten Genossenschafts-Bohnen und ohne Becher. Sie wird sich den Kaffee frisch in den offenen Mund gießen lassen. So wird sie dann das mit veganer Mandelmilch gestreckte Gesöff gurgeln, während sie eine große Zucchini auf dem Kopf balanciert (der Rucksack ist bereits voll) und auf ihrem in der nachbarschaftlichen Kolchose liebevoll reparierten Second-Hand-Fahrrad in den Sonnenuntergang schlingert – nachhaltig, keine Spuren hinterlassend, sich selbst langsam auslöschend im dunkler werdenden Horizont.

#RadtkeDidntKillHimself – Ein Nachruf

Nein, der junge Mann ist nicht wirklich tot. So nehme ich an. Aber was weiß ich schon? Unbestätigten Gerüchten zufolge gibt und gab es nie einen Tom Radtke. Es handelt sich dabei wahrscheinlich nur um die jüngste frankenstein’sche Schöpfung eines geheimen Digital-Labors in Schleswig-Holstein, oder der Ukraine – da kommen die ganzen lustigen Trolle doch immer her, richtig? Tom Radtke hat die schillerndste und gleichzeitig kürzeste Twitter-Karriere Deutschlands hingelegt. Schon sein Einstieg war eine Granate: zum Gedenktag der Befreiung von Auschwitz erklärte er uns die Klima-Bilanz des zweiten Weltkrieges, trendete daraufhin die Timelines zu Asche und schoß schon bald todesmutig gegen alles, was sich ihm in den Weg zu stellen drohte: FFF, die Grünen, Johannes Kahrs und natürlich gegen den unvermeidlichen Twitter-Goebbels Böhmermann. Kurz bevor die erste große Seifenoper der Generation Klimahüpfer aber so richtig Fahrt aufnehmen konnte, war der Spaß leider schon wieder vorbei. Konto gesperrt, Sendeschluss. Vielleicht ist es ja gut so – it’s better to burn out than to fade away … Mach es gut, Tom, du warst und bist ein Kind deiner Zeit.

@tomradtkede


Eilmeldung (ach, man kommt ja gar nicht mehr hinterher): Er ist wieder da! Bitte gehen Sie zurück auf Los, speichern Sie obigen Nachruf für den Fall der nächsten Sperrung und vor allem: Bleiben Sie dran!

Der Meister bringt euch alle um!

Da lobte ich in meinem vorletzten Beitrag also den Pestarzt (natürlich nur ganz vorsichtig, der Mann ist Masochist, zu viel Zuckerbrot verträgt er nicht), schon lobte er mich ausdrücklich zurück, was mir kurzzeitig wieder einmal Klickzahlen in galaktischen Dimensionen bescherte. Herzlichen Dank dafür … ach nein, sorry, in den Staub mit dir, du Hurensohn, *Peitsch!* Auf jeden Fall scheint mir dies ein passender Anlass zu sein, dessen liebreizende Energie auch mal in meinem Blog zu channeln. Denn glauben Sie mir, heute habe ich wirklich Grund dazu.

Wie kam ich auch auf die hirnrissige Idee, an einem Sonntag ans andere Ende der Stadt gelangen zu wollen? So ganz ohne Helikopter oder privaten Düsenjet? Bin ich vielleicht bescheuert? Ja, bin ich, denn ich wusste nicht, dass heute „Marathon“ war. Weil ich nämlich nicht ununterbrochen Lokalnachrichten höre oder schaue. Weil es mich nun mal nicht sonderlich tangiert, ob Oma Uschi in einem Moabiter Späti ausgeraubt oder transophob beleidigt wird, ob in Lichtenberg ein Dachgeschoss ausbrennt oder die Abou-Chaker-Brüder gerade mal wieder irgendwo Party machen. Oder ob irgendwer schon wieder um die Wette rennt. Derart ahnungslos bestieg ich also Mittags ein Taxi, denn ich hatte es eilig und außerdem regnete es auch noch in Strömen. Als ich dem türkischen Daddy mein Ziel nannte, verfiel dieser sofort in ein mächtiges Gejammer: Oh nein, mein Guter, oh, oh, oh, junger Mann, Meister, ach, ach, ach, da kommen wir ja gar nicht hin, ist ja alles gesperrt, alle laufen zu Fuß! Musst du laufen, Meister! Zu Fuß nach Steglitz laufen, dachte ich, bist du nicht mehr ganz dicht? Da tönte es auch schon aus dem Autoradio: Hallo, hier ist Radio Marathon! Mit den neuesten Marathon-Nachrichten und dem Superduper-Marathon-Gewinnspiel! HimmelarschundKünast, nicht schon wieder! Hatten wir hier nicht gerade erst einen dieser überflüssigen beschissenen Idioten-Marathons? Können diese abgemagerten Irren nicht einfach durch die Uckermark rennen oder meinetwegen über den Himalaya? Wieso immer ausgerechnet durch Berlin, das auch so schon jedes Wochenende den Verkehrskollaps macht? Wird schon nicht so schlimm werden, rief ich dem Jammer-Daddy zu, fahren Sie einfach irgendwie drum herum. Jetzt wurde sein Geheule noch lauter, er zählte eine Million Straßennamen auf und verfiel in einen langen Entschuldigungs-Singsang: Nicht böse sein, Meister, nicht böse sein, geht nicht, Meister, geht nicht, geht nicht! Irgendwann ging es wirklich nicht mehr. Alles gesperrt. Für diese durchnummerierte Trampelherde und ihren trommelnden Jubelmob. Ich schleppte mich zum nächsten U-Bahnhof. Scheiß Lärm, Scheiß Wetter, Scheiß Chaos! Gottverdammter Scheiß Marathon! Letzteres schrie ich dann auch einem nölenden Obdachlosen-Zeitungsverkäufer entgegen, irgendeiner muss es ja abbekommen. Wären jetzt noch ein paar verpeilte Touristen, Spendensammler oder Amnesty-Hüpfer mit ihren Unterschriften-Listen vor mir aufgetaucht („Huhu, duhu, warum so eilig?“), wäre Blut geflossen, ganz sicher. Nicht böse sein, Meister, nicht böse sein! Irgendwann landete ich am Innsbrucker Platz, natürlich war die Hölle auch hier noch nicht zu Ende. Kein Bus, kein Taxi, nur noch mehr Rennspacken und Jubeltrommler. *Rassel-rassel-trommel-trommel-jubel-kreisch!* Musst du laufen, Meister! So lief ich also, musste ich ja, ungefähr drei Kilometer durch den Regen, mit Laptop unterm Arm und gefühlten zehn Zentner Gepäck. Kein Ende in Sicht. Denn der nächste Scheiß Marathon kommt bestimmt. Am liebsten hätten sie es hier das ganze Jahr über so: abgesperrt, eingezäunt, lahmgelegt, verkehrsberuhigt, autofrei. Extinction Klima Radfahr Wettrenn Sambatrommel Arschloch Rebellion.

ex

„Hundert mal hab ick Berlin verflucht …“ schunkelte Helga Hahnemann einst durchs Schlagerradio. Helga Hahnemann? Kennste? Kennste? Kennste? Die Gute schunkelt nun schon seit Jahrzehnten unter der Erde weiter und muss sich dieses verdammte prekäre Hippie-Drecksloch von Stadt nicht mehr jeden Tag antun. Niemals habe ich Berlin so sehr gehasst wie heute. Ich darf das, denn ich bin hier geboren. Und so wahr mir die heilige Helga helfe, ich werde diesen verfluchten Laden irgendwann eigenhändig abfackeln. Hundert mal, wenn’s sein muss. Niederbomben. Pulverisieren. Dagegen war 1945 ein Spaziergang. Freut euch drauf, ihr trommelnden, johlenden Arschlöcher! Gut jetzt? Nein.

Wer nicht hüpft, der ist für Kohle! (Klima in Zeiten religiöser Dürre)

Have a drink. Lighten up. You could die soon.
(Bianca Del Rio)

Die Natur ist dem Menschen ein kostbares Gut, ganz besonders die frische Atemluft – daran werde ich immer dann erinnert, wenn ich in eine Berliner S-Bahn einsteige. Wir müssen dankbar sein für jeden Atemzug, der uns noch bleibt, denn eigentlich sind wir längst am Ende. Die Atmosphäre, das Grünzeug, das Wetter, der ganze Planet sind doch schon völlig hinüber. Nach dem, was man so hört. Es ist nicht mehr fünf vor Zwölf, es ist fünf Minuten nach Weltuntergang. Wir sollten uns längst panisch in ein Erdloch verkrochen haben, aufhören herumzureisen, zu twittern und die Klospülung zu betätigen. Wir sollten unsere Smartphones wegschmeißen, uns von selbstgezüchteten Rübchen ernähren und schließlich darauf hoffen, dass die Apokalypse sich so noch gnädig umkehren lässt. Stattdessen machen einfach alle weiter wie bisher. So geht das doch nicht!

end

Vor zehntausend Jahren (grobe Schätzung), als die Luft noch jungfräulich rein war und die Menschen mit Tierfellen bekleidet durch das Ende der Eiszeit stapften, da huldigten sie den Naturgewalten wie Göttern. Überhaupt war ja der Götterglaube ursprünglich stark ans Wetter gebunden. Sonne, Regen, Sturm und Donner wurden wahlweise als Belohnung oder als Strafmaßnahme für menschliches Verhalten interpretiert. Der Klima-Aktivismus unserer Tage propagiert die Erbsünde inzwischen zwar lieber mit akademischen Studien als mit der Bibel, das Prinzip ist aber ähnlich. Früher wurden wir halt für aufmüpfige Fragen oder abweichende Sexualpraktiken bestraft, heute für den Konsum von Plastik und Cheeseburgern. Die Krise der Kirche ist eine institutionelle, aber keine Glaubenskrise. Denn glauben wollen die Menschen weiterhin leidenschaftlich und wahrhaftig, am liebsten an die eigene Schuld und Schlechtigkeit. Na gut, eigentlich an die des Nachbarn, der Schwiegermutter, der Regierung, der Männer oder ganz einfach an die Schuld aller Erwachsenen – die sind schließlich schon länger am Leben, die alten Pottsäue! Was glauben Sie, liebe Gemeinde: welche Rolle spielt eigentlich der Ausstoß von Kohlendioxid für die langfristige Entwicklung des Klimas auf der Erde? Hilft es Ihnen vielleicht, das mal von ein paar kulleräugigen Teenagern erklärt zu bekommen? Haben Sie jetzt endlich Angst? Sie müssen die Angst spüren, sonst wird das nichts mit der Weltverbesserung. Die beliebte bayerische Social-Media-Influenzerin Katharina Schulze forderte im letzten Wahlkampf „mehr Emotionen“ in der Politik. Ja, noch mehr Emotionen. Als gäbe es nicht längst diesen komplett infantilisierten, durchgehashtagten, auf solides Teletubby-Niveau heruntergedummten Zirkus, mit dem uns die angesagten Panik-Themen täglich neu verkauft werden. Aber auch das ist ja nicht neu, wir erinnern uns an Karl, den Käfer. Der wurde bekanntlich nicht mal gefragt … vor allem nicht, ob er seine Vita für einen schlechten Öko-Schlager missbrauchen lassen möchte. Wahrscheinlich hieß er nicht mal Karl. Aber ich schweife ab. Politische Propaganda greift nun mal traditionell gerne auf Kinder, Käfer und auch Entenbabies zurück, um zu überzeugen. Und „wer nicht hüpft, der ist für Kohle!“ (Neulich auf einem #FridaysForFuture-Account gelesen, Rechtschreibung verbessert.) Amen.