Viel war in letzter Zeit über den Wandel der deutschen Sprache zu lesen. Über Gender-Sternchen und Binnenlaute, über die Abschaffung der Damen und Herren sowie die inklusive Umwandlung von Bundestrojanern (neu: auskundschaftende Personen) und sonstigen Terroristen (neu: Terrorisierende). Aber sind damit die Potentiale von Rechtschreibung und Grammatik wirklich schon ausgeschöpft? Wenn Ihnen das alles noch nicht weit genug gehen sollte, wenn Sie die deutsche Schriftsprache grundsätzlich als experimentelle Performance begreifen und Texteditoren gerne richtig bluten lassen, wenn Sie darüber hinaus ein Herz für Gott und Vaterland haben, sich für Chemtrails, den Nahen Osten, die Bilderberger, Schusswaffen, Solarenergie, Zahnersatz und das ewige Leben interessieren, dann schauen Sie unbedingt bei DEN GERMANEN vorbei! Hier werden Sie nicht nur formal, sondern auch inhaltlich überwältigt werden. Tatsächlich haben DIE GERMANEN in Personalunion ihres Gründers, Vorsitzenden und offenbar einzigen Mitgliedes ein Textwerk zusammengestellt, das in seiner schieren Ausführlichkeit alles in den Schatten stellen wird, was Sie bisher im Internet gelesen haben. Denken Sie an eine Mischung aus Ulysses, der Bibel und dem Telefonbuch, garniert mit gut der Hälfte aller jemals bei Youtube veröffentlichten Aufklärungsvideos. Ver-STEHEN Sie, was I-C-H Ihnen damit SAGEN will ???
Schlagwort: Internet
Einen Spiegel! Dass ich mir in die Fresse speien kann!
Schon bald feiert die Radikale Heiterkeit ihren siebten Geburtstag. Am 17. Mai 2014 erschien hier der erste Beitrag, damals noch unter dem oben stehenden Motto, einem Zitat aus Heiner-Müllers „Die Umsiedlerin“. Durch diese erste Assoziation und weil ich netterweise bald vom Kiezneurotiker verlinkt wurde, der wiederum eine tendenziell eher links drehende Leserschaft anzog, hatte auch ich bald ein entsprechendes Völkchen an den Hacken. Irgendein Provinz-Marxist wollte mir gar einen Preis verleihen. Kein Problem, macht alles nichts, Missverständnisse passieren und Ironie ist nun mal nicht jedermanns Sache. Dabei hatte ich mich bereits in jenem ersten Text vom Mai 2014 über das schon damals überholte Links-Rechts-Geseier lustig gemacht. Das war in den folgenden Jahren dann auch eine Art roter Faden: für selbstgerechte Ideologen, egal welcher Farbe und Fasson, hatte und habe ich nur Spott übrig, davon aber reichlich.
Müllers Zitat könnte aktuell wieder von Nutzen sein, da sich einige TV-Darsteller nach der geradezu lächerlich harmlosen Aktion #allesdichtmachen offenbar schon zu Distanzierungen und Widerrufen genötigt sehen. Lange haben sie wirklich nicht durchgehalten. Gerade noch über Angstmacherei gespottet (viel zu spät und viel zu vorsichtig), holt die Angst sie umgehend selbst wieder ein. Sie räumen Fehler ein und geloben Besserung. Öffentlicher Druck, Existenzangst, Arsch auf Grundeis, so kriegen sie die Leute am Ende immer zurück in die Spur. Das hat Tradition, von der katholischen Inquisition über die chinesische Kulturrevolution bis hin zu den Twitter-Prangern unserer Tage. Heute droht keine öffentliche Verbrennung mehr und kein Gulag – wir wollen ja nicht übertreiben – die Aussicht, eventuell im nächsten „Tatort“ nicht mehr mitspielen zu dürfen, reicht schon vollkommen.

Und JA, sage ich, und dreimal JA zu eurer Kritik, Kollegen – mit einem Vorbehalt: dass sie nicht hart genug war, sondern eine Schönfärberei! Denn dreimal schwärzer bin ich als ihr mich abgemalt habt! Einen Spiegel! Dass ich mir in die Fresse speien kann!
Heiner Müller, Die Umsiedlerin oder Das Leben auf dem Lande, 1961
Die Uraufführung von Heiner Müllers „Umsiedlerin“ wurde 1961 zum politischen Eklat. Warum? Müller provozierte durch eine respektlose Satire am sozialistischen Kollektivierungswahn der frühen DDR-Jahre. Der junge Manfred Krug konnte damals im Publikum herzlich darüber lachen, die SED fand es weniger witzig. Das Urteil: konterrevolutionär, antihumanistisch und antikommunistisch. Verbot. Sämtliche an der Aufführung beteiligten Studenten wurden von der Stasi noch in der selben Nacht einzeln verhört und dazu gezwungen, sich schriftlich vom Stück, dem Autor und der Regie zu distanzieren. Müller selbst wurde daraufhin aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen, der Regisseur B.K. Tragelehn wurde „zur Bewährung“ in einen Braunkohletagebau geschickt. Zurück in die Gegenwart: Jemand wie Jan Josef Liefers hat durch seine Ost-Vergangenheit wohl den Vorteil, hier noch Zusammenhänge zu erkennen. Vielleicht bewegt er sich daher auch angstfreier durch die derzeitige Situation als seine Kollegen. Wer diesen Mist schon mal durchgemacht hat, ist eben besser gewappnet. Diejenigen aber, die es eigentlich angehen sollte – all die keifenden Haltungsfunktionäre, die nun wieder nach Konsequenzen und Bestrafung rufen – die werden auch diesmal die Ironie nicht verstehen und die Tradition nicht begreifen, in die sie sich freiwillig stellen.
Der ehemalige Kiezneurotiker, heute Maschinist, beklagt in diesem Zusammenhang gerade wieder einmal den Verlust seiner einstigen politischen Heimat. Er tut das nicht zum ersten Mal und er ist damit sicher auch nicht alleine. Ein guter Text, der aber langsam auch etwas redundant wirkt. Denn dass ehemals progressive Bewegungen, sobald sie selbst die Nomenklatura stellen, sich ebenso totalitär und machtbesoffen aufführen wie die Mächtigen, die sie einst bekämpft haben, ist eine historische Binsenweisheit. Dabei ist es egal, ob sich diese Leute nun durch eine blutige Revolution, den „langen Marsch durch die Instanzen“ oder einfach nur durch erfolgreiche Lobbyarbeit nach oben gedrängelt haben. Die Dynamik ist immer die selbe. Links Hop – Rechts Hop, der ganze Quatsch dient dabei nur dem Machterhalt von Bürokraten, denn wer sich derart ideologisch aufeinander hetzen lässt, ist eben auch leichter kontrollierbar. Politische Heimat am Arsch. Ich selbst habe nie eine gebraucht. Weshalb sollte ich mir auch eine Rolle in einem Spiel zuschreiben lassen, das ich weder erfunden noch mir selbst je freiwillig ausgesucht habe? Im besten Fall werde ich in dieser Position in Ruhe gelassen, im schlimmsten Fall härter bekämpft als der politische Gegner. Denn ein Gegner erkennt wenigstens die Macht an. Ich nehme diese Kasper gar nicht erst ernst. In diesen Sinne: Weiter machen und weiter lachen!
Beschwerden Sie sich nirgendwo
Seit Wochen wird mein Spam-Ordner mit den ewig gleichen Nachrichten der Sorte „Preisknüller im REWE-Markt!“ geflutet. Sehr unpersönlich das Ganze. Um so erfreuter war ich über den folgenden ebenso unterhaltsamen wie detailreichen Erpresserbrief, so etwas bekommt man heutzutage ja leider kaum noch.
Grüß Gott!
Ich habe beobachtet Ihr Gerät im Netz seit langer Zeit und habe es geknackt. Es war einfach für mich, weil ich mich damit schon lange beschäftige. Wann Sie besuchten die pornografische Webseite ich habe angesteckt Ihr Computer mit dem Virus, der sicherte mir vollständigen Zugang zu Ihr Gerät, inklusive die Kamera, das Mikrofon, die Anrufe, die Messenger, zu all dem was geschieht am Bildschirm, zum Telefonbuch, zu Passworten aller sozialer Netzwerken und weiteres.
Um das Handeln meines Virus zu verstecken, ich habe gebastelt ein sonder-Driver, updated alle einige Stunden und daher vollständig unnachweisbar. Ich habe herunterladen das Video aus Ihrem Bildschirm und Ihrer Kamera und habe geschnitten ein Video auf dem in einem Teil des Bildschirms Sie masturbieren und der andere Teil zeigt ein Porno-Video die Sie gleichzeitig schauten. Ich kann schicken jederzeit allerlei Daten aus Ihrem Gerät ins Internet oder an alle jene, die stehen an Ihrer Kontaktliste, an den Messengern oder in sozialen Netzwerken. Außerdem, ich kann bereitstellen den Zugang zu Ihren Messengern, sozialen Netzwerken oder zum E-Mail jedem beliebigen Menschen. Wenn Sie dies vermeiden wollen tun Sie folgendes- Überweisen Sie auf meine Bitcoin-Geldbörse 1200 amerikanische Dollars.
Adresse meiner Bitcoin-Geldbörse: bc1q3dwsh4ryljth0yemny3wp6pe87dkheaxyg9q32
Sie haben 48 Stunden zur Überweisung. Andernfalls ich werde alles Obenstehende dürchfuhren. Der Zeitgeber hat gestartet automatisch sofort nachdem Sie den Brief eröffnet hatten. Die Meldung über Eröffnung dieses Briefs bekomme ich auch automatisch. Wenn Sie wissen nicht wie man das Geld überweist und was ist Bitcoin, schreiben Sie die Anfrage in Google „Bitcoin kaufen“. Sofort nach Erhalt der notwendigen Summe das System wird mich automatisch benachrichtigen und wird anbieten aus meinen Servern alle von Ihnen erhaltene Daten zu löschen. Und ich werde das Löschen bestätigen.
Beschwerden Sie sich nirgendwo – meine Geldbörse kann nicht nachgefolgt werden und der E-Mail aus dem der Brief wurde geschickt wird erstellt automatisch und es ist sinnlos mich etwas zu schreiben. Sollten Sie diesen Brief irgendjemandem teilen wollen, das System wird die Anfrage auf die Server automatisch schicken und diese werden Ihre Daten in sozialen Netzwerken veröffentlichen. Außerdem, der Wechsel von Passworten in sozialen Netzwerken, von E-Mail und am Gerät wird Sie nicht helfen, weil alle Daten sind bereits herunterladen am Cluster meiner Server.
Ich wünsche Sie viel Glück und tun Sie keinen Blödsinn.
Was für ein Aufwand: Virus versteckt, vollständig unnachweisbaren Sonder-Driver gebastelt, Videos geschnitten – hier war eindeutig ein Profi am Werk. Dafür erschienen mir 1.200 US-Dollar eine eher bescheidene Entschädigung. Der Erpresser hatte jedoch richtig vermutet: ich habe keine Ahnung von Bitcoins. Wie mir aufgetragen, setzte ich also umgehend die Anfrage „Bitcoin kaufen“ bei Google ab. Danach war ich allerdings genauso schlau wie zuvor. Was nun? Ich hatte nur noch 48 Stunden Zeit (der Zeitgeber hat gestartet automatisch!) und beschwer(d)en konnte ich mich nirgendwo. Panisch rannte ich zum nächsten ATM-Automaten, hob die geforderte Summe in bar ab, steckte sie in einen an bc1q3dwsh4ryljth0yemny3wp6pe87dkheaxyg9q32 adressierten Umschlag und ließ diesen dann von einem vollständig unterbezahlten UBER-Driver zum nächsten Briefkasten fahren. Jetzt kann ich nur noch hoffen und beten. Sollten Sie mich demnächst masturbierend auf Linkedin sehen, wissen Sie, dass es nicht funktioniert hat. Bleiben Sie mir dennoch gewogen und tun Sie keinen Blödsinn!
Letzten Donnerstag
„Tückische Mikroorganismen wären mein Wunschszenario für den Untergang der Welt. Sinngemäß in Form eines Flugreisenden, der sich im Urwald an einer winzigen Rasurnarbe mit einer seltenen Makakenkrankheit infiziert und sodann in einem Dutyfreeshop in Kuala Lumpur mit einer von Schmierkeimen kontaminierten Mastercard zahlt, die über die ungewaschenen Hände der dort prekär beschäftigten Kassenkraft auf eine Stange Dunhill-Zigaretten übertragen werden und sich schließlich im Hirn eines in Reykjavík lebenden Dalmatiners zu einer hochinfektiösen Hühnergrippe rekombiniert, die mittels einer einzigen Charge Chicken McNuggets, die einer McDonalds-Filiale in Dinslaken mangelhaft erhitzt wurde, schließlich die Menschheit ausradiert. Eine zeitgemäße Landplage, die der Menschheit im pandemischen Todeskampf ihre moralischen Verfehlungen aufzeigt – recht biblisch also.“
So prophetisch äußerte sich der ehrenwerte Blogger Her NO in einem Interview, das ich mit ihm anlässlich eines möglichen Weltuntergangs 2012 führte. Es stammt aus einem kleinen publizistischen Projekt, dass ich damals verfolgte. Leider hat Herr NO (dessen bürgerliche Identität mir bekannt ist, die hier aber niemanden etwas angeht, Sie mögen verzeihen) auf hightatras.org seit nunmehr drei Jahren keine Texte mehr veröffentlich. Aber auch davon geht die Welt nicht unter, ebenso wenig wie durch’s Wetter, durch Donald Trump oder durch Lisa Eckhart. Unverwüstlich ist er, dieser sture kleine Planet. Trotzdem haben die Apokalyptiker natürlich weiterhin Konjunktur. Tatsächlich ist der Weltuntergang eine krisensichere Branche, dort herrscht immer Ausnahmezustand, Endkampf und Schlussverkauf. Was sowohl das Ende als auch den Ursprung unserer Welt angeht, habe ich mich inzwischen dem Last-Thursdayism angeschlossen. Das Universum wurde am letzten Donnerstag erschaffen und wird pünktlich am nächsten Donnerstag wieder implodieren. Alle Anzeichen für eine längere Historie sind nichts weiter als Täuschungen. Das scheint mir die vernünftigste Antwort auf die Fragen und Nöte der Menschheit zu sein. Spalter und Abweichler wie die Last-Tuesday- und Wednesdayisten werden von unserer Bewegung auf’s energischste bekämpft, die Kirche der Last-Saturdaynight-Feveristen wird dagegen nicht ernst genommen, diese Leute sind uns wirklich zu albern.

Es folgen einige nachträgliche Kulturtipps, von mir für Sie exklusiv und gebührenfrei in Ihre vollgefurzten kleinen Quarantäne-Höhlen gefunkt.
Das deutsche Kultur-Highlight des Jahres – Desiree Nick beleidigt Sido für 99 Euro: „Danke, das du mit deinen Gossen-Songs eine ganze Generation deutscher Jungs in asoziale Penner verwandelt hast! Dann kam Fridays For Future, dann kam Corona, jetzt geht keiner mehr zur Schule!“
Meinen Jahresrückblick hatte ich ja bereits im August abgeliefert. Beim Pestarzt las ich nun noch das Best of Shitstorms 2020: „Da oben stehen sie und predigen. Gift und Galle. Tod und Teufel. Pest und Nazis. Von ihrer Kanzel. Aufgebracht. Entrüstet. Todernst. Woke bis in die Haarspitzen.“
Ja, sie stürmen immer noch, rufen zum Boykott und errichten Online-Pranger – nichts Neues also. Seit Jahren halten ein paar selbstgerechte Dauertwitterer und mediale Krawallschachteln (Apokalyptiker*innen inklusive) die Erregungsmaschine Internet mit ihrem hochgejazzten Murks in Schach, und alle spielen mit, springen über’s Stöckchen, immer wieder. Weil sie sich angesprochen fühlen, herausgefordert, getriggert, getreten und zugetrötet. Dabei wäre es so leicht, das Ganze zu ignorieren. Die einfachste Sache der Welt. Wer sind diese Leute? Warum sind die wichtig? Wer will das hören? Lassen wir sie krakeelen in ihren schalldichten Förderblasen. Irgendwann schreien die sich nur noch gegenseitig an. Weisses Rauschen.
Ich habe Tschick von Wolfgang Herrndorf gelesen, mit zehnjähriger Verspätung. Es lag gerade irgendwo rum. Ein sehr gutes Buch. Ich musste an den Fänger im Roggen denken. Sehr schade, dass Herrndorf nicht so lange durchgehalten hat wie J.D. Salinger. Und ich habe Mindhunter auf Netflix geglotzt. Mein Interesse an Serienkillern hatte ich hier schon angedeutet, Mindhunter ist gewissermaßen die Jahreshauptversammlung legendärer Serienkiller – ein ästhetisches und psychologisches Meisterwerk aus dem Hause David Fincher. Ich werde an dieser Stelle aber keine Trailer verlinken, da die der Serie in keiner Weise gerecht werden. Das Ding ist außerdem auch schon wieder zwei oder drei Jahre alt. Ich weiß nicht, warum ich mir so viele Sachen erst mit derart epischer Verspätung zu Gemüte führe. Ich habe eben meinen sehr eigenen Rhythmus.
In spätestens zehn Jahren werde ich vielleicht auch den großen Quotenhit 2020 nachholen, Corona: Judgement Day. Dann werde ich mir 24 Stunden am Tag bunte Diagramme anschauen und pflichtbewusst so tun als sei die Pest ausgebrochen, versprochen. Ich werde mich zuhause einschließen und panisch in die Teppichkante beißen. Prekäre Lieferboten werden mich regelmäßig mit frischen Hashtags und Impfspritzen versorgen. Ich werde Listen anlegen, Listen über meine Kontakte und über mein Fehlverhalten („Einen Spiegel! Dass ich mir in die Fresse speien kann!“), vor allem aber über das Fehlverhalten meiner Nachbarn, über all die Ketzer und Zweifler und Oma-Mörder (Nieder mit den Last-Tuesday- und Wednesdayisten!). Schließlich werde ich mich selbst mumifizieren und in ein tiefes Erdloch eingraben, sicher ist sicher. Solidarische Grüße aus der Gruft! #stayhome … In der zweiten Staffel (Corona: Die Auferstehung) werde ich dann wieder ausgebuddelt, wahrscheinlich an einem Donnerstag. Auf der Erdoberfläche haben Luisa, Carola und Simon-Sören-Zacharias währenddessen ihren glutenfreien Windmühlen-Sozialismus errichtet – sauber, fair und virenfrei, ein Paradies auf Erden. Recht biblisch also.
Der Weltuntergang als Running Gag in der Radikalen Heiterkeit:
Wer nicht hüpft, der ist für Kohle! (März 2019)
… umso mehr sind wir des Beifalls sicher (April 2017)
Zum Feste nur das Beste – famose Texte aus dem Archiv des Herrn NO (2008-2011):
Herr No übt Medienkritik und befleißigt sich dabei des Stilmittels der sogenannten spitzen Feder
Die Sintflut ist der Hochdruckreiniger des Herrn
Herr No entlarvt den Begriff der Schönheit erneut als sinnlos
Sie erhalten Anschluss an den ICE Friedrich Nietzsche aus Gleis 7
Abbildung oben: Screenshot aus Mindhunter
Zwei mal Drei macht Vier Widdewiddewitt und Drei macht Neune
Ein plattgelatschtes Thema ist das, ich wiederhole mich wohl langsam. Also versuche ich es einfach etwas anders zu formulieren: die großen Social Media Plattformen, ob Facebook, Twitter oder YouTube, schulden den Regierungen dieser Welt nichts. Keine Erklärung, keinen Respekt, keine Rechenschaft und wenn es nach mir ginge, nicht mal Steuern. Aber ja, bitte, ich weiß es doch: wenn sie im Geschäft bleiben wollen, liegt es in ihrem eigenen Interesse, sich mit den Kaspern aus den Parlamenten so gut es geht zu arrangieren. Sie wissen natürlich, dass sie mit Kaspern reden, mit halbgebildeten Ideologie-Marionetten. Aber sie reden trotzdem mit ihnen, denn die Kasper drohen mit Regulierungen, das ist nun mal ihr Job. Und dann läuft es immer nach der gleichen Tour: es wird munter reguliert, belehrt, zensiert und gesperrt, bis diejenigen, die sich das nicht gefallen lassen wollen, einfach zur nächsten Plattform ziehen. Daraufhin rufen die Kasper dann wie auf Knopfdruck: „Schaut her, dort sind die jetzt also, dort radikalisieren sie sich!“ Dass sie die armen Irren selbst dorthin getrieben haben, reflektieren die Kasper nicht, denn das ist nicht ihr Job.
Und nun schauen Sie mal (Screenshots von tagesschau.de):


Fällt Ihnen was auf? Nein? Sehr gut. Das einzige, was Sie sich merken müssen, ist, dass Weißrussland jetzt Belarus heißt. Denn wenn Sie das russische „Беларусь“ (das übersetzt nichts anderes als „weißrussisch“ bedeutet) einfach mit dem deutschen Alphabet nachschreiben, wird alles gut. In Deutschland wird immer alles gut, deshalb brauchen Sie hier auch kein Telegram. Dafür gibt’s die Deutsche Post.
Alte Frise, neue APO (jetzt mit gratis Holocaust-Content)
Sascha Lobo kommt nach einem anstrengenden Tag im Internet nach Hause, nimmt sein Irokesen-Toupet ab und fällt in die stylische Retro-Sitzecke. „Hallo Meike!“, begrüßt er seine Frau, die gerade wieder über ihre Befindlichkeiten twittert. „Du, Sascha“, sagt sie „ich erkenne dich nicht mehr.“ „Echt jetzt? Das ist ja interessant.“ „Ja, total. Ich habe das mal gegoogelt, das ist so ein richtiges Syndrom, also eine anerkannte psychische Störung, wenn man seinen eigenen Partner nicht mehr erkennt.“ Lobo setzt kurz sein Toupet wieder auf. „Jetzt besser?“ Meike schüttelt den Kopf. „Da müssen wir mal was zu bloggen.“ „Hab ich schon.“ „Wieviele Zugriffe?“ „2.500.“ „So wenig? Vielleicht kann ich das ja noch im SPIEGEL verwerten: Entfremdung in Zeiten des Populismus – wie toxischer Online-Hass unsere Beziehungen vergiftet!…“ „Ok, und ich blogge dann einfach darüber, wie ich dich beim bloggen beobachte und dich dabei nicht mehr erkenne.“ „I like that. Aber nicht wieder die Pingbacks deaktivieren! Ich geh jetzt mal meine Keynote für morgen zusammen kopieren. Nacht, Schatz!“

Ich gestehe: Ich fand den Lobo mal gut. „Wir nennen es Arbeit“ hieß dieses Buch, das mir damals ein Ex-Freund schenkte und das Lobos Aufstieg zur medialen Speerspitze der „Digitalen Bohéme“ begleitete. Wie lange ist das nun schon wieder her? Im St. Oberholz wurden plötzlich die Fensterplätze knapp und Irokesen-Sascha wurde als Internet-Experte von einer Talkshow zur nächsten gereicht. Sein Narzissmus und die Selbstvermarktung störten mich dabei nicht. Im Gegenteil, darum ging es doch: um das Ende der Privatheit, um die permanente Sichtbarkeit. Irgendwann ging das aber nach hinten los, der einstige Experte war mit dem Internet restlos überfordert und spielt sich heute in den Sozialen Medien vorwiegend als Blockwart auf – zusammen mit Sixtus, Böhmermann und all den anderen selbsternannten Tugendwächtern der Digitalen Republik Deutschland. Inzwischen ist der rote Iro als Meinungsmacher auch längst von einem blauen abgelöst worden, denn Youtuber sind die neuen Blogger – ach was, sie sind sogar die neue APO! Ja, mindestens. Während Sascha und Meike also langsam zu kopfschüttelnden älteren Eminenzen mutieren (der Blogger-Variante von Helmut und Loki Schmidt) hat sich die Generation Emoji längst hinter neue Experten geschart. Die zeigen denen jetzt mal, was eine Harke bzw. eine optimale Meinung ist, ganz locker, flockig und unabhängig, wie das bei den jungen Leuten halt so ist, easy-peasy, yolo, Dude, klick like and subscribe!
Wo ich gerade so abfällig über Blogger blogge: Vielleicht ist einigen meiner Leser ja noch die Episode aus Ricky Gervais’ „Extras“ bekannt, in der Kate Winslet zynisch kommentierte, die beste Möglichkeit einen Oscar zu gewinnen, bestehe immer noch darin, die Hauptrolle in einem Holocaust-Film zu spielen. Kurz darauf erhielt sie dann tatsächlich ihren Oscar für die Rolle der Hanna Schmitz in „Der Vorleser“. Leben imitiert Satire – das soll ja öfter mal vorkommen. Davon inspiriert wurde offenbar auch die umtriebige Marie Sophie Hingst, die sich für ihren Blog gleich eine ganze Holocaust-Familiengeschichte ausdachte und dafür unlängst noch als „Bloggerin des Jahres“ ausgezeichnet wurde. Wer berühmt werden will, darf halt nicht zimperlich sein. Nun ist der ganze Schwindel aufgeflogen. Ironischerweise machte ausgerechnet der SPIEGEL die Geschichte öffentlich, obwohl man dort ja nicht erst seit dem Dichter-Skandal um Relotius dafür bekannt ist, „Haltungsjournalismus“ und „künstlerischer Freiheit“ einen größeren Stellenwert einzuräumen als nüchternen Fakten. Der Zweck heiligt die Mittel, immer wieder.
P.S. Nachdem ich mich nachträglich noch etwas in die Causa Hingst eingelesen habe, inkl. der öffentlichen #ReadOnMyFake-Gruppentherapie, kann ich feststellen, dass die Dame durchaus das Zeug zu einer Sektenführerin hat. Die wusste offenbar genau, welche Knöpfe sie bei den Medien und ihrer emotional gehirngewaschenen Anhängerschaft drücken musste. Vielleicht haben die es nicht besser verdient. Die Tatsache, dass Hingst u.a. der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ein paar falsche Opfer untergejubelt hat, lügen sich einige ja bereits als mutiges Literaturprojekt zurecht. Oy vey, my dear! Aber aus der Story lässt sich doch bestimmt noch ein ergreifendes Filmdrama stricken, im Stil von „Can you ever forgive me?“ … Wer ruft Kate Winslet an?
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Eierköppe am Rande des Nervenzusammenbruchs
Leute, die unter der Menschheit gelebt und sie überlebt haben, sind als Täter und Sprecher einer Gegenwart, die nicht Fleisch, doch Blut, nicht Blut, doch Tinte hat, zu Schatten und Marionetten abgezogen und auf die Formel ihrer tätigen Wesenlosigkeit gebracht. Larven und Lemuren, Masken des tragischen Karnevals, haben lebende Namen, weil dies so sein muß und weil eben in dieser vom Zufall bedingten Zeitlichkeit nichts zufällig ist.
(Karl Kraus, „Die letzten Tage der Menschheit“)
Es ist noch gar nicht so lange her, kurz nach dem Beginn des neuen Jahrtausends war es, da beschloss eine kleine Gruppe gewitzter amerikanischer Studenten, aus einigen zutiefst menschlichen Bedürfnissen (Essen fotografieren, fremden Leuten die Meinung geigen…) ein großartiges und profitables Imperium zu errichten. „Hier“, so sprachen sie zu den Menschen, „habt ihr eine Bühne, um euch darzustellen“, und die Menschen taten es eifrig und zahlreich und sie bezahlten mit den digitalen Spuren ihrer Selbstdarstellungen. Irgendwann verloren die ersten von ihnen darüber den Verstand. „Oh nein!, so riefen sie, „Die dunkle Macht des Imperiums hat mein Leben zerstört!“ Sie jammerten, schlugen sich gegenseitig die Köpfe ein und riefen nach strengeren Gesetzen. Nur Einige meinten noch verschmitzt: „Aber Spaß hat es doch auch gemacht.“
Abbildungen: Soziale Medien 2019 (auszugsweise)
United Opfers of Internet
Die Schauspielerin Natalia Wörner (auch bekannt als Rote-Teppich-Abschnittsgefährtin von Heiko Maas) äußerte sich am Rande eines ARD-Adventsessens zur Wahl der neuen CDU-Vorsitzenden: „Ich freue mich total für AKK … Eine Frau, die man sich genau da wünscht, wo sie jetzt ist.“ Das ist entweder kolossal dämlich oder die eleganteste Beleidigung, die ich seit langem gehört habe. Freuen darf sich die Filmwelt auch für FHD (Florian Henckel von Donnersmarck), denn Deutschlands gewaltigste Sturmfrisur ist mal wieder für einen Oscar nominiert. Eventuell muss er die dazugehörige Preisverleihung sogar selbst moderieren. Was gibt es sonst noch zu berichten aus der Redaktionsstube des Grauens? In Krisenzeiten lernen die Franzosen gerne von den Deutschen. Deshalb wird der Weihnachtsmarkt in Straßburg spätestens in zwei Jahren sicherheitstechnisch so hochgerüstet, dass jeder Nachwuchs-Terrorist vor Angst aus den Latschen kippt. Zeichen setzen, Haltung bewahren, Café Latte! Jetzt müssen sie nur noch Putin und Facebook den Strom abdrehen, dann fällt auch die Gelbwesten-Bewegung und alle können friedlich ins neue Jahr hinein feiern. Passend dazu: Wer hat eigentlich die AfD so stark gemacht? Renate Künast weiß es: das Internet!

Infokrieger Alex Jones darf schon seit einigen Monaten nicht mehr ins Internet. Daher rannte er gestern auch über einen Flur in Washington und schrie so lange “Google is evil!“, bis ihm die Polizei mit Verhaftung drohte. Auch die Plattform tumblr ist böse, denn dort dürfen demnächst keine Pornobilder mehr verbreitet werden – eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, denn offenbar sind Pornos die neuen Safe Spaces. Aber es gibt Hoffnung, denn die Startup-Szene schläft nicht! Zu guter Letzt noch eine Twitter-Perle des intersektionalen Daueropfers Sibel Schick: „Wenn ich als Migrantin ohne Studienabschluss nur einen Anteil davon verstehe, was ihr mir sagt, ist eure Sprache nicht barrierefrei und kann von mir aus auch in die Tonne.“ Damit Sie mal wieder Bescheid wissen, Sie unwoken überprivilegiert-toxischen cis-Schweine! Ganz liebe barrierefreie Grüße!
Abbildung: Gerhard Richter, irgendwas mit Streifen
Völker, hört die Signale …
„Dies war für den Aufstieg im Apparat ebenso entscheidend: sichtbar zu sein, so zu arbeiten, dass man immer wieder auffiel.“
(Robert Menasse, Die Hauptstadt)
„Wie wollen Sie in Erinnerung bleiben?“ durfte sich Mark Zuckerberg am Dienstag Abend fragen lassen. Oder noch intelligenter: „Ist es Zeit, den Stecker zu ziehen für Facebook?“ (O-Ton Gabi Zimmer – nicht sehr überraschend, die LINKE hat nun mal traditionell ein Faible für chinesische Lösungen). Um viertel vor Acht wurde dann zumindest der Stecker für Frau Zimmer und ihre Kollegen gezogen, dem Himmel sei’s gedankt, sonst hätte vielleicht noch jemand die Internationale angestimmt. Als Zuckerberg sich gestern von seinem PR-Termin in Brüssel verabschiedete, tat er das in der Gewissheit, dort mit der wohl größten Versammlung von Volltrotteln gesprochen zu haben, die ihm in seiner bisherigen Karriere begegnet ist. Ich dachte ja, ich hätte im Zusammenhang mit der medialen Sau namens „Datenskandal“ schon alles an Schwachsinn gehört, was es zu hören gibt. Irrtum, denn wenn das EU-Parlament auftritt, wird es erst richtig unterhaltsam. Ich fasse also noch mal zusammen: Das Geschäftsmodell der Firma Facebook besteht zwar praktisch seit ihrer Gründung im Verkauf von Nutzerdaten – politisch relevant wird das aber erst, wenn eben jene Nutzer anfangen, die falschen Parteien zu wählen. Denn daran muss schließlich irgendjemand Schuld sein, und die Politiker sind es nun ganz gewiss nicht. So wird dann ein Gratis-Schnatter-Portal zur größten Gefahr für unsere Demokratie erklärt, Pöbeleien werden zu Hate Speech und grober Unfug zu Fake News. Neue Begrifflichkeiten erfordern natürlich auch neue Gesetze und Regulierungen, et voilà, schon brummt der Apparat wieder auf Hochtouren. Eins ist klar: die Bürger müssen vor sich selbst beschützt werden … Auf zum letzten Gefecht!