Anlässlich der 1000. Staffel von Germany’s Next Topmodel möchte ich hier einen Text abladen, den ich vor ungefähr sechs Jahren nach dem damaligen Finale eben jener wunderbaren Sendung verfasst habe und den ich bisher, soweit ich weiß, noch nicht im Internet veröffentlicht hatte. Bekanntermaßen sind Keith Richards und Heidi Klum die einzigen Menschen, die den nächsten Atomkrieg überleben werden, aus ihnen wird dereinst die neue Superrasse entstehen. Bis dahin gilt: immer schön einen Fuß vor den anderen, Personality zeigen und Gas geben – denn die Konkurrenz schläft nicht!
Ein Sandsturm zieht auf. Erbarmungslos peitschen Millionen kleiner Steine in das aufwendig geschminkte Gesicht eines Mädchens. Sie sitzt in einem offenen Helikopter und versucht, nach unten zu schauen. Gleich wird sie hinabgeworfen werden, fünfhundert Meter in die Tiefe, während sie für einen vorbeifliegenden Fotografen posieren soll. „Sexy! Sexy! Sexy!“ schreit eine Stimme irgendwo aus den wirbelnden Sandmassen. Wenn sie unten ankommt – in der mongolischen Wüste, in Dubai oder mitten auf dem Gaza-Streifen (sie hat während ihrer interkontinentalen Mission der letzten Wochen etwas Überblick verloren) – dann wird sie ihrem Ziel wieder einen Schritt näher sein. Vorausgesetzt sie überlebt den Aufprall und das nächste Foto-Tribunal …
Als ich aufwache, ist es kurz vor Mitternacht. Ich habe das große Finale verpasst. Ich reibe mir die Augen und schalte den Fernseher ein. Dort stehen zwei Blondinen mit Moderationskärtchen auf einer zerstörten Großraumbühne. Überall liegt Konfetti. Es scheint vorbei zu sein, die Schlacht ist geschlagen. Aber die Blondinen kündigen noch ein Heidi Klum-Special an, das dem Zuschauer alles über den schillernden Werdegang des deutschen Weltstars verraten soll. Vielleicht gibt es da draußen ja wirklich noch Menschen, die noch nicht genug über sie wissen. Und so erfahre ich zum fünfhundertsten Mal, dass es ein Bikini war, der die zentrale Rolle auf ihrem Weg zum Ruhm spielte. Insgesamt wird Frau Klum hier als genau das präsentiert, wofür sie die Journaille ihres Heimatlandes so verachtet: eine mopsfidele Vermarktungsmaschine mit sehr vielen weißen Zähnen, die sie uns bei jeder passenden Gelegenheit wie eine Waffe entgegenblitzen lässt. In diesem Moment wird mir klar, dass ich gar nichts verpasst habe, die Gewinnerin stand längst fest, sie heißt wie immer: Heidi! Heidi! Heidi! Das ist alles, was ich wissen muss. Die Mission ist erfüllt, die Demütigungen sind überstanden und die Namen der Opfer bereits vergessen. Einmal, es liegt bereits Jahre zurück, da strahlte am Ende der gleichen Veranstaltung so etwas wie Wahrhaftigkeit aus Heidi Klum heraus. Es war spät, wieder war alles voller Konfetti. Sie wurde in eine Kulisse geschoben und vor laufender Kamera gefragt, wo denn ihre Familie sei. Für diesen kurzen Augenblick hörte ihr Gebiss auf zu blitzen und sie sprach: „Die wissen gar nicht genau, was ich hier mache, und das ist eigentlich auch ganz gut so.“
Zähne und Tränen, das sind die wesentlichen Bestandteile dieses bizarren Wettbewerbes, der Rest sind niedere Instinkte, eine niedere Komik und ein noch viele niedereres Vokabular. Worte aus einer anderen Welt, einer Welt ohne Sinn und Grammatik, einem debilen Reich, das sich selbst genügt. Ja, niedrig ist diese Sprache – so niedrig, dass sie nicht einmal mehr am Boden liegt, sondern bereits eingesickert ist in die oberen Erdschichten, wo sie sich mit all dem Konfetti, den Tränen und dem Blut der Opfer vermischt. Aus diesem faulenden und nährreichen Humus wird schon bald wieder neues Leben entstehen.