Jake Angeli / The Revolution will not be instagrammed

Anfang 2020 ernannte ich hier Tom Radtke zur schillerndsten Figur der Stunde. Nun ist es Jake Angeli, der Mann, der gestern in voller Karnevals-Montur das Capitol in Washington DC stürmte und die heiligen Hallen für eine anarchische Fotosession nutzte. Sehen Sie dies bitte als Anzeichen dafür, dass 2021 (vielleicht sogar das gesamte kommende Jahrzehnt) noch um einiges unterhaltsamer werden könnte als wir das vom Ende des vergangenen Jahres erwarten durften.

Jake Angeli ist ein bereits bekannter QAnon-Hallodri aus Arizona, der wahrscheinlich an all das glaubt, woran die QAnon-Leute halt so glauben, zum Beispiel daran, dass Trump der Wahlsieg vom Deep State gestohlen wurde. Man sollte sich vielleicht erinnern, dass diejenigen, die über solche Theorien öffentlich den Kopf schütteln, einen Großteil der letzten vier Jahre damit verbracht haben, zu behaupten, Hillary Clinton sei der Wahlsieg von den Russen gestohlen worden. Es ist ein endloses Kasperle-Theater. Wer sich davon noch beeindrucken lässt, muss sich zurecht das Gemüt eines Vierjährigen bescheinigen lassen.

Ziviler Ungehorsam in Form von Protesten, Ausschreitungen und Randale ist immer nur so gut, wie er den sie begleitenden Agitatoren ins Konzept passen, das ist bekannt. In den letzten Jahren ist in den USA einiges gestürmt, besetzt und in Flammen gelegt worden. An den Reaktionen darauf ließ sich immer recht gut ablesen, wie sehr jemand noch willens oder in der Lage ist, selbständig zu denken. Dass so vielen Wohnzimmer-Kommunisten, die sonst mit Vorliebe über Revolutionen und Transformationen schwadronieren, bei der Stürmung eines Regierungsgebäudes plötzlich der Arsch auf Grundeis geht, ist entsprechend aufschlussreich. Es entlarvt sie letztlich als Anhänger eines starken Staates – auch das keine Überraschung. Sicher war das gestern eine neue Qualität, so einfach in das erschreckend ungesicherte Capitol einzudringen (Atilla Hildman dürfte beim Anblick der Bilder feuchte Höschen bekommen haben). Wie es überhaupt eine andere Qualität hat, die Zentren der Macht direkt anzugreifen als z.B. irgendwelche Modeboutiquen in der Nachbarschaft abzufackeln. Das dürfte der rechte Protest dem linken wohl eindeutig voraus haben. Aber was hat der Trump-Mob daraus gemacht? Ein paar schicke Bilder für Social Media und sonst nichts. Die hellsten scheinen die nun wirklich nicht zu sein. Als Fazit hat die Biden-Administration jetzt praktisch grünes Licht, um die Überwachung ihrer Bürger weiter auszubauen. Überhaupt scheinen diese Millennial-Rebellen, egal von welcher Seite sie nun kommen, nicht zu begreifen, wie eine Revolution funktioniert. Vielleicht wollen sie das auch gar nicht. Ein bißchen Ramba-Zamba, ein paar Selfies und fünf Minuten Internet-Fame – um etwas anderes geht es wahrscheinlich gar nicht mehr.

Was bleibt, ist Jake Angeli, die Stilikone der Stunde. Laut seiner Webseite arbeitete Angeli bisher u.a. als Schauspieler und Synchronsprecher. Er weiß also, wie man sich in Szene setzt. Sein Kostüm lässt sich als eine Mischung aus Endzeit-Jamiroquai und Indianerhäuptling auf Crack beschreiben, gepimpt mit Stars and Stripes, einer Prise Neopaganismus und einem kräftigen Urschrei. Die Trendscouts von Gucci und Prada machen sich bereits Notizen. 

4 Kommentare zu „Jake Angeli / The Revolution will not be instagrammed

  1. Neopaganismus – das hat Zukunft und ist sexy. Habe mir jedenfalls schon aus dem Schädel eines erschlagenen Feindes einen zeremoniellen Met-Becher gebastelt.
    Nur, dass Rechtsradikale eher die Zentren der Macht angreifen als Linksextremisten, das halte ich für ein Gerücht. Da war doch vor gar nicht so langer Zeit mal was mit G20 in Hamburg, und früher mal eine gewisse RAF …

    1. Das stimmt, ich bezog mich auch eher auf den aktuellen Stand der Dinge. Hierzulande spielt die Antifa ja z.B. derzeit Merkels Leibgarde, während die Revolution den Reichsbürgern überlassen wird. Letztere haben allerdings nicht so schöne Kostüme wie die QAnon-Freaks, auch sonst mangelt es an Glamour … (wie so oft in Deutschland).

      1. Das liegt vielleicht aber auch an der Unmöglichkeit der technischen Umsetzbarkeit von „Revolution“. Immerhin wollen Linke Aktivisten nach dem Protest noch ihre Großmütter/Väter im Altersheim besuchen können. Den selbsternannten Urschrei-Rechten ist das offenbar egal. Daran kann man doch schon sehen, wer hier moralische Überlegenheit unter Beweis stellt. Smiley.

      2. Ich denke mal, mit „Linken Aktivisten“ sind diese neototalitären Pandemie-Jünger gemeint, die sich freiwillig so lange Ausgangssperren verordnen lassen, bis es irgendwann keine Großmütter mehr zum Besuchen gibt. Ich hatte ja bereits angekündigt, dass ich mit dem C-Thema hier durch bin, ich bitte nun die geneigte Leserschaft, dies auch in den Kommentaren zu berücksichtigen. Zuwiderhandlungen werde ich umgehend beim Ordnungsamt melden!

        Lieber Legoland, solltest du tatsächlich der original „Legoland“ aus dem alten Spex-Forum sein, stürme ich vor lauter Nostalgie nachher noch kurz den Reichstag oder die Botschaft von Nordrhein Westfalen!

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