Weltpolizei

„Du hast noch nichts geschrieben!“ belehrt mich WordPress per nervigem Popup-Fenster, weil ich nun schon seit zwei Minuten untätig auf den Text-Editor starre. Worüber soll ich auch schreiben? Über Rassismus? Ich auch noch? Wurde das Thema in den letzten Tagen noch nicht ausreichend weichpüriert? Ist irgendwer noch nicht weich? Püriert, gerührt, aufgelöst, betroffen und plattgewalzt von den Bildern und dem Getöse? Ich bin jedenfalls taub. Vor allem jenen meiner Mitmenschen gegenüber, die mir seit Jahren mit der immer gleichen Litanei über ihren Lieblingsfeind, den bösen Imperialismus in den Ohren liegen. Sie jammern über die Globalisierung und über die USA, die sich als Weltpolizei aufspielt und sich in die Angelegenheiten anderer Länder einmischt. Sehr verwerflich finden sie das. Das sind übrigens oft die selben Mitmenschen, die gerne von Deutschland aus per iPhone den Amerikanern und dem Rest der Welt erklären, wen sie gefälligst zu wählen haben, die jeden Social-Justice-Trend und -Hashtag aus Übersee unkritisch kopieren, schuldbewusst der Antifa hinterherlaufen und die dann auch noch „Black Lives Matter“ auf dem Alexanderplatz nachspielen. Der Narzissmus der vermeintlich guten Sache kennt keine Grenzen, der Irrsinn kein Maß. Um das, was tatsächlich passiert, geht es längst nicht mehr, auch nicht um den armen George Floyd. Im Laufe der Proteste gegen dessen gewaltsamen Tod sind in den USA mittlerweile schon 20 weitere Menschen ums Leben gekommen – Kollateralschäden im Kampf um gefühlte Wahrheiten und symbolträchtige Bilder, von denen sich auch die Cosplay-Aktivisten hierzulande berauschen lassen. Sie lassen sich einspannen, immer wieder, und finden nichts verwerfliches daran. Sind ja auf der guten Seite.

Wie war das noch vor einigen Jahren, als ein japanischer Tsunami zu einer Wende der deutschen Atompolitik geführt hat? Fukushima ist Berlin und Berlin ist Minneapolis. Welt am Draht, Welt am Limit. Und die neue Weltpolizei versorgt sich ständig mit frischer globalisierter Hysterie. Alle sind ständig und überall mitbetroffen, alle sind unterdrückt, alles ist ungerecht und alles hängt mit allem zusammen. Paranoid und populistisch sind aber natürlich immer nur die anderen.

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