Beton

Sandton im Norden von Johannesburg gilt als „Africa’s Richest Square Mile“. Wirklich nachprüfen kann ich das nicht, denn ich kenne leider nicht jede Quadratmeile in Afrika. Was ich aber bestätigen kann: Irgendetwas boomt hier, etwas mit viel Geld. Die Glastürme und Luxushotels schießen aus dem Boden, fantasievoll und protzig. Hier wird geklotzt, nicht gekleckert. Sandton City, die Mega Mall im Zentrum wirbt mit dem Slogan „We are Sandton, we are globally yours!“ Das muss ich in meine E-Mail-Signatur übernehmen: globally yours. In den benachbarten Vororten wird zwar mittlerweile von allen Hautfarben, aber weiterhin hinter reichlich Mauern und Stacheldraht gewohnt. Jedes Grundstück seine eigene DDR, ein kleines Stammheim oder Guantanamo. Vielleicht ist es in Wirklichkeit die Alarmanlagen-Industrie, die dieser Gegend zu ihrem Wohlstand verholfen hat. Hinter den Mauern kläffen die Hunde, immer wieder sind Sirenen zu hören, in den meisten Fällen falscher Alarm, manchmal aber auch nicht. Lebensumstände. Komisches Wort. Hier und im fernen Kapstadt habe ich die letzten drei Wochen verbracht, und auf den Landstraßen und den Weingütern dazwischen. Das Reise- oder Food-Geblogge liegt mir aber nicht so sehr. Architektur schon eher, also ran an den Beton!

ZeitzMOCAA

Während Berlin weiterhin vor allem mit protestantischer Knast-Architektur zugebaut wird, ist man in anderen Teilen der Welt zum Glück etwas mutiger. Bleiben wir gleich in der schon erwähnten Boomtown Sandton. Dort wird mit dem Leonardo gerade das demnächst höchste Gebäude Südafrikas fertiggestellt. An der Seite wurde eine beleuchtete Nadel dran gepappt, um noch etwas mehr Höhe zu schinden. Man kennt solche Tricks vom Berliner Fernsehturm oder dem Burj Khalifa in Dubai. Das Leonardo ist architektonisch eigentlich gar nicht interessant, ich wollte es hier dennoch schon mal erwähnt haben, damit Sie dann nach der Eröffnung stolz verkünden können „Das habe ich doch letztes Jahr schon im Internet gelesen, ja, ja!“ Bereits in Betrieb und sehr beeindruckend anzuschauen sind dagegen die Türme der Kanzlei Norton Rose Fulbright, deren grafisch kreativ aufgebrezelte Fassaden wahrscheinlich in starkem Kontrast zu den drögen Tätigkeiten in ihrem Inneren stehen. Freunde der brutalistischen Bauweise sollten auf dem Weg nach Kapstadt unbedingt einen Abstecher zum Weingut Waterkloof machen. Um in dessen Restaurant die Aussicht auf den Ozean sowie die Kreationen des preisgekrönten Hipsterkochs zu genießen, muss man ausreichend Zeit und ein entsprechendes Budget einplanen. Aber auch von außen lohnt es sich. Glas und Beton – selten sieht man beide Materialien so puristisch und konsequent miteinander vereint. Die Landschaft tut ihr übriges. Eine noch interessantere Vereinigung lässt sich im neuen Zeitz MOCAA, dem Museum for Contemporary Art Africa mitten im Toutisten-Mekka von Kapstadt bewundern. Hier wurde ein riesiger ehemaliger Getreidesilo aufgebohrt und was sie daraus gemacht haben, ist atemberaubend. Das Atrium ist eine Mischung aus postmoderner Kathedrale, versteinertem Bienenstock und romulanischem Raumschiff. Das müssen Sie sehen. Also hören Sie auf zu kleckern und klotzen Sie sich mal wieder dorthin, wo die wahren Klötze dieser Welt stehen. Auf geht’s!


Abbildung: Im Untergschoss des Zeitz MOCAA, Quelle: Iwan Baan 

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