Yesterday’s weirdness is tomorrow’s reason why.
(Hunter S. Thompson)
Schauplatz Victoria-Bar, vier Uhr morgens. Ich sitze vor meinem zwölften Wodka-Martini und weiß nicht mehr genau, warum ich eigentlich hier bin. Unter dem Tisch liegt Ben Becker und isst Erdnüsse, die Stimmung ist ausgelassen. Neben mir sitzt eine Frau und lallt mir ins Ohr. Sie verwechselt mich mit jemandem, ich glaube mit Tom Tykwer. Sie ist ganz schön geladen, war heute schon auf mindestens fünf verschiedenen Berlinale-Empfängen. Seit dem frühen Abend pitcht sie tourettehaft ihre Drehbuch-Konzepte durch die Stadt und jetzt bin ich wohl dran. Sie würde wirklich gerne die Lebensgeschichte von Greta Thunberg verfilmen, mit Emma Schweiger in der Hauptrolle. Wir sollten das jetzt machen, meint sie, denn wenn wir das nicht machen, macht es ein anderer! Na, dann machen wir das jetzt mal schnell, sage ich, schließlich bin ich jetzt Tom Tykwer und hackedicht. Die Tür geht auf und Dieter Kosslick fällt herein. Auch er weiß eigentlich nicht, warum er hier ist, aber er hat draußen den roten Fußabtreter gesehen und dachte, er schaut mal rein. Alte Gewohnheit. Alle lachen, hahaha, der Glamour-Dieter, der weiß, wie man einen Auftritt hinlegt! Saalrunde, jetzt wird nachgetankt! Heike Makatsch kommt vorbei und fragt, ob wir ihren Hund gesehen hätten – einen alkoholsüchtigen Mops, der aussieht wie Moritz von Uslar. Die Pitcherin hängt mir immer noch am Ohr. Was richtig Großes will sie endlich mal machen, lallt sie, eine Juli-Zeh-Verfilmung, einen Tatort, oder was mit Cate Blanchett! Ob ich nicht zufällig die Nummer von Cate Blanchett hätte? Alles langweilig, lalle ich zurück, sie soll sich mal was neues trauen, Prost, meine Liebe! Jetzt kommt sie in Schwung … Ja, wir müssen die Leute mal wieder aus den Sitzen hauen, den Zeitgeist ficken, mal was richtig kontroverses machen … was mit Nazis und Klimawandel und allem drum und dran, aber edgy und experimentell, denk an Fatih Akin, Schlingensief, Werner Herzog, nur viel krasser … auf Netflix, mit einem Nachwuchsregisseur, der Asperger hat und seine Schauspieler anschreit … Ich fange an zu singen … Schließlich einigen wir uns dann auf einen apokalyptischen Klima-Thriller, in dem ein sprechender Mops namens Greta (gespielt von Udo Kier) im Hambacher Forst ein unterirdisches Folter-Labor betreibt und aus den Knochen von AfD-Wählern Solarbatterien herstellt – zu gleichen Teilen episch und splatterhaft erzählt, Cloud Atlas meets Deutsches Kettensägenmassaker meets Stalker meets Unterleuten, aber als Musical und in schwarz-weiß. Wir müssen das jetzt machen, rufe ich, sonst macht das ein anderer! Dann rutsche ich vom Stuhl und streite mich mit Ben Becker um die letzten Erdnüsse. Cut!
Genau so wird es sein, fehlt nur noch der Hinweis auf maximale staatliche Förderung!
Tut eigentlich nichts zur Sache, aber auf die Verfilmung von „Unterleuten“ warte ich ungeduldig.
Wird voraussichtlich in diesem Herbst im ZDF ausgestrahlt. Und ich muss leider sagen, dass es wohl kaum etwas gibt, auf das ich weniger warte. 😉
Was für eine elegant formulierte Antwort! Ich bin entzückt.
Verwechslung! Was das ZDF diesen Herbst ausstrahlt, ist die viel diskutierte, posthum entdeckte Rosmunde-Pillermann-Novelle „Gauland und die Zonenzombies“. Kommt aber aufs selbe hinaus.
Bergdoktor meets Feuchtgebiete meets Panzerkreuzer Potemkin etc. (bitte selbst ergänzen) …