Leute, die unter der Menschheit gelebt und sie überlebt haben, sind als Täter und Sprecher einer Gegenwart, die nicht Fleisch, doch Blut, nicht Blut, doch Tinte hat, zu Schatten und Marionetten abgezogen und auf die Formel ihrer tätigen Wesenlosigkeit gebracht. Larven und Lemuren, Masken des tragischen Karnevals, haben lebende Namen, weil dies so sein muß und weil eben in dieser vom Zufall bedingten Zeitlichkeit nichts zufällig ist.
(Karl Kraus, „Die letzten Tage der Menschheit“)
Es ist noch gar nicht so lange her, kurz nach dem Beginn des neuen Jahrtausends war es, da beschloss eine kleine Gruppe gewitzter amerikanischer Studenten, aus einigen zutiefst menschlichen Bedürfnissen (Essen fotografieren, fremden Leuten die Meinung geigen…) ein großartiges und profitables Imperium zu errichten. „Hier“, so sprachen sie zu den Menschen, „habt ihr eine Bühne, um euch darzustellen“, und die Menschen taten es eifrig und zahlreich und sie bezahlten mit den digitalen Spuren ihrer Selbstdarstellungen. Irgendwann verloren die ersten von ihnen darüber den Verstand. „Oh nein!, so riefen sie, „Die dunkle Macht des Imperiums hat mein Leben zerstört!“ Sie jammerten, schlugen sich gegenseitig die Köpfe ein und riefen nach strengeren Gesetzen. Nur Einige meinten noch verschmitzt: „Aber Spaß hat es doch auch gemacht.“
Abbildungen: Soziale Medien 2019 (auszugsweise)