Filtern im Jenseits

Zwanzig Jahre beim Morddezernat der New Yorker Polizei, Bruder, und du hast alles gesehen. Du hast erlebt, dass ein Wall-Street-Broker seine kleine Zuckerfee in Streifen schneidet, um klarzustellen, wem die Fernbedienung gehört, und dass ein unglücklich verliebter Rabbi Schluss zu machen beschließt, indem er seinen Bart mit Anthrax pudert und tief einatmet.

(Aus „Pure Anarchie“, Woody Allen, 2007)

Die Möglichkeiten, gewaltsam zu Tode zu kommen, sind so vielfältig wie unerfreulich. Fast ebenso vielfältig sind die Möglichkeiten, den Tod Anderer für die eigene Ideologie auszuschlachten. Wer beispielsweise von einem muslimischen Einwanderer am Geldautomaten erstochen wird, dem ist die posthume Solidarität nationalistischer Hooligan-Vereine sicher. Werden Sie dagegen erst in der darauffolgenden solidarischen Straßenschlacht von einem trauernden Neonazi ins Jenseits befördert, so wird sich ganz bestimmt die Antifa Ihrer annehmen, Ihr unsterbliches Antlitz auf T-Shirts drucken und in Ihrem Namen ewige Rache schwören. Sollten Sie stattdessen aber in dem ganzen Gerangel zufällig von einem Wasserwerfer der Polizei überrollt werden, so entscheidet der Facebook-Gerichtshof darüber, welche Seite Ihr Andenken übernehmen wird. Haben Sie in letzter Zeit das Urlaubsfoto der Tante eines AfD-Sympathisanten geliket? Oder vielleicht ein Kuchenrezept von Sophie Passmann? Denken Sie am besten jetzt schon darüber nach, wenn Sie Ihre Beerdigung planen. Wie auch immer Sie sich entscheiden, Ihr Tod wird nicht umsonst gewesen sein. *Herz-Emoji*

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