Der angenehmste und gleichzeitig kürzeste Weg von Moabit zum Potsdamer Platz (und zurück) führt für mich zu Fuß durch den Großen Tiergarten. Wann immer das Wetter und meine Zeitplanung es erlauben, schlage ich so den prekären Verkehrsverhältnissen dieser Stadt ein Schnippchen. Leider werde ich dabei meist aber auch von einer Armada an Radfahrern, Joggern, Touristen und Hundehaltern begleitet, der ganzen Schauergesellschaft des urbanen Frühsommers also. Am heutigen Abend nun bildete ich mit ihnen allen eine Art unverhoffter Schicksalsgemeinschaft, denn nördlich der Straße des 17. Juni gab es einen „Lauf“. Plötzlich sahen wir uns von einer Lawine grell gekleideter Wahnsinniger umzingelt, alle mit einem blinkenden Stab in der Hand, die sämtliche Wege blockierten – ein endloser, schnaufender Hornissenschwarm, flankiert von dicklichen Damen in Ordnerwesten, die uns am Fortkommen hindern wollten. Wer sich den Läufern dennoch in den Weg warf, wurde sofort angeschnauzt, zuerst von den Ordner-Muttis, dann von den Schnaufenden selbst. Vielleicht laufen sie ja für eine guten Zweck, dachte ich, für den Weltfrieden, für krebskranke Kinder, vielleicht auch nur um die „Goldene Eieruhr 2018“, auf jeden Fall verstanden sie keinen Spaß.
Irgendwann schlug ich mich einfach quer übers Gras, dem Schwarm so gut es eben ging ausweichend. Mittendrin hatte sich auch noch eine karibische Trommelgruppe aufgebaut, die von Tutti-Frutti-Gabi (einer ca. 60-jährigen aufgekratzten weißen Dame, die ich spontan auf diesen Namen taufte) mit einem extatischen Ausdruckstanz begleitet wurde. Ich lebe in Europas größter Freiluft-Psychiatrie, so viel steht fest. Und der Sommer hat gerade erst begonnen.
Berlin bleibt Berlin 😉