Über wen haben wir in dieser Woche viel zu wenig gelesen? Über Harvey Weinstein natürlich. Viel zu wenig über die schlüpfrigen Treffen in Hotelzimmern, über seinen offenen Bademantel, seine Zudringlichkeiten, seine Dauererektion und darüber, was das alles mit dem Filmgeschäft der letzten 20 Jahre gemacht hat. Da geht noch mehr, ganz sicher. Während viele A-Lister bereits ihre Oscars und Golden Globes wie Nazi-Memorabilia im Keller verstecken, melden sich noch immer neue Opfer zu Wort. Der Chor der Gedemütigten, Begrapschten und Empörten wird täglich größer. Wir wissen: in Zeiten von Social Media muss Schadensbegrenzung im Express-Tempo absolviert werden. Wer auch nur einen Tag zu lange mit einem Kommentar wartet, steht im Verdacht, die finsteren Umtriebe des Produzenten unterstützt zu haben und wird unweigerlich mit ihm im Strudel des PR-Desasters untergehen. Was denkt Heidi Klum? Warum schweigt Matt Damon? Hillary, what took you so long? Dabei kannten sie doch alle die Gerüchte und hatten sie so gut es ging ignoriert. Den Rest übernahm im Zweifelsfall Weinsteins Rechtsabteilung und die Kaffeekasse der Firma. Mitmachen, Klappe halten, Preise kassieren – ein gutes Geschäft für (fast) alle Seiten. So läuft das. Bis schließlich das Machtgefälle kippt und die Schweigegelder aufgebraucht sind. Irgendwann ist eben immer Schluß, Empires must fall. Und so befindet sich der dicke Harvey, das Monster und Arschloch der Stunde, nun im freien Fall. Und Hollywood ekelt sich vor sich selbst. Wir werden jetzt noch maximal eine Woche lang Kommentare, Statements, Abgrenzungen und Hashtag-Feminismus erleben. Danach wird das Gras gebeten, auch über diese Sache zu wachsen. So meine Prognose.
