Am Anfang war Volker Beck. Und Volker Beck war Gott. Und das Wort war bei Gott. Vor mehr als 20 Jahren durfte sich Gott, äh … ich meine Beck als einer der ersten offen homosexuellen Bundestagsabgeordneten noch regelmäßig von zotigen Konservativen beleidigen lassen. Heute haben die ihre eigenen Becks und Schwulenwitze leisten sie sich wahrscheinlich nur noch in den Umkleidekabinen ihrer Schützenvereine. Ja, heute sind sie überall, die selbstbewussten Power-Gays: in der CDU, in der FDP sowieso, bei Trump, und selbst die AfD hat jetzt ihre passend biedere Front-Lesbe. Ich sehe darin durchaus einen gesellschaftlichen Fortschritt, das meine ich ausnahmsweise mal ganz unironisch. Schließlich ist das System, in dem wir uns tummeln, auch in dem Maße erfolgreich, in dem es ehemalige Minderheiten zu assimilieren vermag. Auch Homosexuelle wollen gute Geschäfte machen, und das geht in den wirtschaftsnahen Parteien besser als in basisdemokratischen Häkelgruppen. Alice Weidel ist in ihrer Partei vor allem deshalb so gut aufgehoben, weil sie als Unternehmensberaterin ganz genau weiß, dass es der AfD in erster Linie noch immer um die Verteidigung von Privilegien und Besitzständen geht. Darum ging und geht es im politisch organisierten Rassismus immer. Nicht um Hautfarbe oder um Kultur (auch nicht um Homophobie), sondern immer und ausschließlich um wirtschaftliche Macht. Der „Fremde“ dient dabei wahlweise als billige Arbeitskraft oder gesellschaftlicher Buh-Mann, nützlich ist er auf jeden Fall. Die Flüchtlingskrise war ein Segen für Alice und ihren Verein, denn dadurch konnte sich die AfD blitzschnell von einem elitären Anti-Euro-Stammtisch zum Retter des deutschen Volkskörpers hochjazzen. Das wirklich queere daran ist wohl, dass ihnen den Quatsch tatsächlich jemand abkauft.
Und was ist mit Volker Beck? Die Ironie der bundesdeutschen Realpolitik wollte es, dass es letztlich eine CDU-Regierung war, die den ersten Homosexuellen sowie den ersten Mann mit Migrationshintergrund in ein Ministeramt beförderte, und dann auch noch die erste Frau ins Kanzleramt – praktisch in einem Abwasch und ganz ohne Quotenregelung. Ausgerechnet die CDU, die bis heute einen der wichtigsten Grundsätze jener freiheitlich demokratischen Ordnung, die sie immer so beherzt zu verteidigen vorgibt, nicht begriffen hat, nämlich die Trennung von Staat und Kirche. Bei der Abstimmung über Bürgerrechte spielt es nämlich keine Rolle, was einem die Bibel, der heilige Geist, Mutter Natur oder irgendein Druidenfürst einflüstert. Zumindest sollte es das nicht. Dennoch – und hier knallt nun die Ironie gänzlich durch die Decke – kann es eigentlich nur im Interesse der Grünen sein, dass sich die Kanzlerin bei der Durchsetzung der „Ehe für alle“ noch eine Weile ziert. Sonst wird ihnen bald auch noch das letzte zentrale Wahlkampf-Thema abgenommen. Wenn dann nicht möglichst schnell wieder irgendwo ein Atomkraftwerk explodiert, werden sie demnächst wohl nicht einmal mehr die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. Fazit: Jesus ist mächtiger als die Quote und Fortschritt ist heute gleichbedeutend mit dem Untergang der Grünen. So war das alles ganz sicher nicht geplant. Aber das Leben verläuft ja selten nach Plan.