Es gibt diese Szene in der ersten „Jack Reacher“-Verfilmung, in der Werner Herzog als sadistischer Gangsterboss einen seiner Lakaien dazu zwingt, sich die eigenen Finger abzubeißen. Eine seltsam beeindruckende Szene ist das. Es geht um einen Loyalitätsbeweis dem Boss gegenüber, und natürlich geht es um Bestrafung. Dazu wispert The Mighty Herzog einen dramatischen Monolog über seine harten Jahre in einem sibirischen Gulag. Er habe dort nur überlebt, in dem er seine eigenen Hände qualvoll verstümmelte. Während er diese Geschichte erzählt, steht im Hintergrund ein weiterer Befehlsempfänger mit einer Knarre bereit, um die Dringlichkeit des Ganzen zu untermauern. Als der wimmernde Lakai schließlich begreift, was von ihm erwartet wird, als ihm die Aussichtslosigkeit seiner Lage bewusst wird und er seinen Boss um ein Messer bittet, erwidert dieser nur kühl: „Hatte ich etwa ein Messer in Sibirien?“ Was folgt, ist klar. Unter lautem Geschrei versucht der arme Kerl, sich die Finger abzuknabbern. Am Ende wird er trotzdem erschossen.
Was lernen wir daraus? Vorsicht ist geboten bei der Wahl der Arbeitsstelle! Ich selbst war noch nie in Sibirien, geschweige denn in einem Gulag, und habe bis jetzt auch noch alle meine Finger. Ich tippe diesen Text zwischen zwei Projekten, einem gut bezahlten und einem eher unbezahlten. Ich teile mir meine Zeit selbst ein. Niemand redet mir rein und niemand hält mir eine Knarre an den Kopf. Ich komme, ich gehe, ich arbeite, wann es mir beliebt. Weil ich es kann. Weil ich mir das nun mal herausnehme. Weil ich das schon immer so gemacht habe. Das ist kein Luxus, das ist meine Entscheidung. Das Geld kommt, das Geld geht, und dann kommt es wieder. Es ist nur Geld. Wenn ich genug habe, verteile ich etwas. Wenn nicht, wird später gezahlt. Das gilt für den Online-Versand ebenso wie für das Finanzamt. Mit Arbeit wird sowieso niemand reich. Reich wird man, indem man das Geld für sich arbeiten lässt, das sollte doch bekannt sein.
Weshalb schreibe ich das? Ich habe es endgültig satt, mir das Gejammer anderer Menschen über ihre ach so grimmige Arbeitswelt anzuhören. Oder darüber zu lesen. Darüber, wie furchtbar gestresst sie sind. Darüber, dass die Arbeit sie auffrisst, dass sie gemobbt werden, dass sie sich ungerecht behandelt fühlen, dass der Arbeitsmarkt immer brutaler wird, man aber nichts dagegen tun kann, weil: wir sitzen ja alle im selben Boot … Bringt euch um! Ich meine das ganz ehrlich und unironisch. Bringt euch um! Oder kündigt. Nein, entschuldigt bitte, kündigen wäre natürlich zu viel verlangt. Also Selbstmord. Es ist November, das liegt gerade wieder im Trend. Fenster auf und raus. Bitte sehr. Nur geht mir bitte nicht mehr auf die Nerven mit eurem Selbstmitleid und dem endlosen Gesabbel darüber, wer an all dem Schuld hat. Der Chef, die Firma, der Markt, der Staat, das System, die Mutti und der Papa, der Freihandel und die UFOs – die „da oben“ sind ja grundsätzlich immer schuld. Sicher, ihr wisst es nicht besser, ihr wurdet so erzogen, konditioniert und klein gehalten, mit einem unbezwingbaren Glauben an das Böse und an die Übermacht der Anderen. Ihr hängt euch Tarantino-Poster ins Zimmer, bloggt über die Revolution und seid doch bis ins Knochenmark zerfressen von kleinbürgerlichen Existenzängsten, Sozialneid und Paranoia. Ich war wirklich sehr geduldig, viele Jahre lang, aber jetzt habe ich genug. Jetzt habe ich es satt, euer Opfergeheul. Ich habe eure permanent behauptete Ausweglosigkeit satt, diese ewige pseudoapokalyptische Eierschaukelei, diesen ganzen verdammten Kindergarten. Ich sitze nicht in eurem Boot. Ich höre nicht mehr hin, ich klicke nicht mehr drauf. Eher kaue ich mir jeden Finger einzeln ab.
Kau!!!