Weshalb nur gibt es so viele Online-Marken, deren Namen auf „o“ enden? Zalando, Trivago, Idealo, Modomoto … Im Marketing scheint es eine Binsenweisheit zu sein, dass alles, was auch nur ansatzweise nach Pizza klingt, sich auch mit ähnlichem Erfolg verkaufen lässt. Und erfolgreich ist das Zeug ja, ob das nun am „o“ liegt oder nicht. Naheliegend wäre auch, dass man in diesen Kreisen von der selben ängstlichen Fantasielosigkeit befallen ist wie einst die Verantwortlichen in den Film- und TV-Redaktionen, die jeden zweiten fremdsprachigen Film – vollkommen abgekoppelt von dessen Originaltitel – mit „Meine Schwiegermutter, ihre Katze und ich“ übersetzen ließen bzw. mit einem ähnlich lautendem Schwachsinn. Es ist eine gängige Praxis bei den geschäftsmäßigen Vermarktern der Warenwelt: ein vermeintliches Erfolgsrezept wird mit minimalstem Aufwand (in diesem Fall mit der Umstellung einiger Buchstaben) kopiert. Was der Filmbranche ihr „und ich“, ist dem Internethandel sein „o“ am Ende. Ich nehme an, uns stehen daher noch einige ähnlich klingende Wortschöpfungen ins Haus: Galanto, Pikanto, Schimpanso und Karacho wären hier spontan meine Vorschläge für noch zu gründende Schnäppchen-Plattformen. Was die dann verkaufen, ist zweitrangig. Hauptsache es klingt nach Pizza.
Vorreiter dieser phonetischen La-O-la-Welle (10 Cents in die Kalauerkasse) war meiner Ansicht nach übrigens die Versicherungsmarke ERGO, die früher mal Victoria hieß, was aber aufgrund des fehlenden „o“s leider nicht mehr vertrauenswürdig genug klang. ERGO macht hierzulande gute Geschäfte, denn der Deutsche liebt es, der Angst-Industrie sein Geld in den gierigen Rachen zu schmeißen. Es liebt es sogar noch mehr als Pizza, Schuhe und Hotelvergleiche, so behaupte ich. Um die neue wohlklingend runde Wortmarke noch vertrauenswürdiger zu machen, setzte ERGO seit der Umbenennung auf das, was inzwischen allgemein üblich ist: menschelnde Werbung mit authentischem Touch. So schauen unterbeschäftigte Seriendarsteller mit Rehaugen in einen Sonnenuntergang an der Warschauer Brücke oder vergleichbar authentischen Orten und geben „Haftpflichtzusatzversicherungen“ ein bambihaftes Gesicht.
Und das noch: Tennessee Williams macht Werbung für die PIN Mail AG. „Die wahren Helden sehen selten wie Helden aus“, lautet seit kurzem deren Claim, der auf ein Zitat des legendären Autors zurückgehen soll. Er kann sich ja nicht mehr wehren, der Arme. Die wahren Helden unserer Straßen sind demnach kettenrauchende Briefzusteller in grünen Jacken, die Mahnungen vom Finanzamt verteilen.
Ich vermute, dass ich die Person kenne, die PIN mit dem Williams-Zitat zusammengebracht hat. Wenn es der ist, den ich im Kopf habe, dann gehört er zu den wenigen Textern, die noch über „literarische Bildung“ verfügen. Die alte Schule. Was ich wesentlich irritierender finde, ist die grauenhafte Werbung von EDEKA mit dem feisten „Supergeil-Typen“. Und dass das Zeug so erfolgreich ist, macht mich fassungslos.
Ich denke, das kann ich erklären: die EDEKA-Werbung ist bereits konzeptionell auf Nonsens und Ironie gebürstet, was bei der Generation Halli-Galli natürlich auf fruchtbaren Boden fällt. Mich überrascht das nicht. Die „literarische Bildung“ der alten Schule in allen Ehren, aber die unfreiwillige Komik entsteht dort eben durch den Kontrast zum beworbenen Gegenstand. Es passt einfach nicht.